Information zur Erweiterung und Ertüchtigung der Gruppenkläranlage Schöneck-Niederdorfelden

Die Gruppenkläranlage Schöneck-Niederdorfelden ist seit 1987 in Betrieb, ihre Auslegungsgröße beträgt 20.000 EW. Durch ständige Erhaltungs- und Unterhaltungsmaßnahmen wurde sie permanent auf dem Stand der Technik gehalten und an aktuelle Erfordernisse angepasst. Zuletzt wurden 2017 ein Schlammlagerplatz gebaut und in 2018 das Betriebsgebäude aufgestockt. Jährlich werden ca. 1,1 Mio. m³ Abwasser gereinigt (Jahres-Schmutzwassermenge). 

Aufgrund ihres Betriebsalters hat ein Großteil der in der Anlage verbauten Teile der Anlagen- und Maschinentechnik seine Nutzungsdauer überschritten und ist erneuerungsbedürftig. Hinzu kommt, dass die Anforderungen an die Anlage immer weiter steigen, was sich in den einzuhaltenden Grenzwerten der Wasserbehörde widerspiegelt. Diese fordert außerdem für die Zulassung neuer Bau- und Gewerbegebiete eine Ertüchtigung der Anlage zur Anpassung an künftige Belastungen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass der anfallende Klärschlamm immer weniger landwirtschaftlich verwertet werden darf und die Entsorgung sich deshalb stark verteuert hat. Der künftige Entsorgungsweg geht hier immer weiter in Richtung Verbrennung. Hierfür ist es vorteilhaft, wenn der Klärschlamm in entsprechend günstig konditionierter Form vorliegt.

Die Planungsleistungen zur Ertüchtigung der Anlage wurden in einem europaweiten Verfahren ausgeschrieben und im Februar 2018 an die Arbeitsgemeinschaft Enno Leonhard / IAT Ingenieurberatung für Abwassertechnik beauftragt. In Abstimmung mit dem Regierungspräsidium Darmstadt als Genehmigungsbehörde wird die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich begleitet von Herrn Prof. Dr. Wagner von der TU Darmstadt.

Auf der Grundlage einer umfangreichen Grundlagenermittlung, bestehend aus Untersuchungen zur Zulaufbelastung, zur energetischen Analyse und Auslastung sowie zum Zustand der vorhandenen Anlagentechnik wurde eine Vorplanung erstellt. Die Planungsziele waren 

  • Nachhaltigkeit: Klärschlammanfall, Wärmeversorgung, Phosphat-Rückgewinnung, CO2- Emissionen 
  • Ressourcenverbrauch: Wirtschaftlichkeit, Einsatz von Personal + Verbrauchsmittel, Grundstücksflächen
  • Nutzung der vorhandenen Bauwerke, Anpassung an örtliche Gegebenheiten 
  • Zukunftsfähigkeit: Anlagen- und Verfahrenstechnik, Grenzwerte, 4. Reinigungsstufe zur Elimination von anthropogenen Spurenstoffen (Humanpharmaka, Industriechemikalien, Körperpflegemittel, Waschmittelinhaltsstoffe, Nahrungsmittelzusatzstoffe, Veterinärpharmaka, Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel sowie Futterzusatzstoffe) 
  • Minimierung der Betriebskosten: Energie, Verbrauchsmittel, Klärschlamm-Menge
  • Entsorgungssicherheit

Die Vorplanung wurde den Gemeindevorständen und -vertretungen der beiden angeschlossenen Gemeinden Schöneck und Niederdorfelden in einer Informationsveranstaltung zum Thema am 14.03.2019 vorgestellt. Für die dort favorisierte Variante wurde die Genehmigungsplanung erstellt. Die Herstellungskosten werden auf ca. 12,4 Mio. € brutto einschl. Nebenkosten geschätzt, die Betriebskosteneinsparung beträgt nach Schätzung ca. 200.000 €/Jahr.

Kurz zusammengefasst, ist folgendes geplant:

  1. aufgrund des Betriebsalters ohnehin erforderliche Ertüchtigungen im Bestand: Verfahrens- und Prozesstechnik, Zulaufpumpwerk, Rechen, Rechengebäude, Sand- und Fettfang, biologische Abwasserbehandlung (Belebung), Phosphatfällstation, Rücklaufschlamm-Pumpwerk, Brauchwasserversorgung
  2. Errichtung eines Rückhalteraumes zur besseren Zulaufmengenregulierung
  3. Herstellung von erforderlichem Volumen für die biologische Abwasserbehandlung durch Bau eines SBR-Reaktors und Umbau der vorhandenen Belebungsbecken
  4. Ausbau der mechanischen Reinigungsstufe mit Grobentschlammung
  5. Umstellung auf eigene Schlammfaulung zur Verbesserung und Reduzierung des Klärschlamms: Bau einer Vorklärung und eines Faul- sowie Faulgasbehälters in Verbindung mit der Montage eines BHKW zur Stromerzeugung aus Faulgas
  6. Anpassung der Elektro-, Mess-, Steuer- und Regeltechnik

Für das Vorhaben wurden Förderanträge im Rahmen der Initiative „Klimaschutzprojekte im kommunalen Umfeld“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gestellt. Im Auftrag des Ministeriums werden die Förderanträge vom Projektträger Jülich bearbeitet. Die einzelnen Förderanträge lauten:

  • Erneuerung der Belüftung 

    Förderkennzeichen: 03K12366 

    Laufzeit: 01.11.2019-28.02.2022 

    Die Maßnahme erfolgt im Zusammenhang mit der Umstellung der Verfahrenstechnik auf Faulung, der Kaskadierung der Belebung, der Voraktivierung und der Umsetzung des NH4-PO-Verfahrens. Für die Voraktivierung und die Umsetzung des NH4-PO-Verfahrens wurden gesonderte Anträge gestellt (s.u.). Die Maßnahme sieht vor, dass die Belebung zu Kaskadendenitrifikation umgebaut wird. Die Belüfter in den belüfteten Becken sollen erneuert werden. Hier sollen effiziente Streifen-und Plattenbelüfter zum Einsatz kommen. Weiterhin erneuert werden sollen die zugehörigen Gebläse. Geplant ist die Anschaffung eines Turboverdichters als Grundlastgebläse und von zwei Drehkolbengebläsen für die Lastspitzen. 

  • energetische Optimierung des Zulauf- und Rücklaufschlamm-Pumpwerkes 

    Förderkennzeichen: 03K12367 

    Laufzeit: 01.11.2019-31.03.2022

    Zulaufpumpwerk: Die fünf vorhandenen Kreiselpumpen sind verschlissen, so dass sich die Effizienz der Pumpen erheblich verschlechtert hat. Deshalb sollen diese durch Pumpen mit einem besseren Wirkungsgrad und einem IE5-Motor mit FU-Regelung ersetzt werden. Der spezifische Stromverbrauch wird somit reduziert. Zudem wir der Zulaufpumpensumpf baulich verändert und die Einstauhöhe vergrößert, so dass sich die Förderhöhe der Pumpen erheblich reduziert. Die Entleerung des neuen Pufferbeckens wird in das Zulaufpumpwerk integriert. 

    Rücklaufschlammpumpwerk: Das Rücklaufschlammpumpwerk besteht aus zwei Schneckenpumpen. Aufgrund der langen Betriebszeit hat sich bei beiden Pumpen das Spaltmaß zwischen Schnecke und Trog vergrößert, so dass die Pumpen nicht mehr effizient arbeiten. Auch ist ein geregelter Betrieb der Pumpen nicht möglich, in Folge ist auch keine Anpassung der Rücklaufschlammmenge möglich. Die Rücklaufschlammpumpen sollen durch neue Schneckenpumpen mit einem energieeffizienten Motor (IE5, FU-geregelt) ersetzt werden, um die Effizienz der Schlammförderung wiederherzustellen und energieeffizienter zu betreiben.

  • Umstellung auf Faulung 

    Förderkennzeichen: 03K12368 

    Laufzeit: 01.11.2019-31.10.2023 

    Das Verfahren soll von aerober Schlammstabilisierung auf Faulung umgestellt werden. Die Nutzung des anfallenden Klärgases soll über Kraft-Wärme-Kopplung erfolgen und der erzeugte Strom in der Kläranlage genutzt werden. Durch die Maßnahme soll ein Strom-Eigenversorgungsgrad von 70% erreicht werden. Zur Umsetzung der Maßnahme ist der Bau einer Vorklärung, eines Faulbehälters mit einem Volumen von rd. 800 m³, eines Gasspeichers und die Anschaffung eines Blockheizkraftwerks (BHKW) erforderlich.

  • Voraktivierung und NH4-PO-Verfahren 

    Förderkennzeichen: 03K12369 

    Laufzeit: 01.11.2019-31.10.2022 Die Belebung soll auf eine Kaskadendenitrifikation umgestellt werden. Die biologische Reinigung soll zudem mit den beiden innovativen Verfahren Voraktivierung und NH4-PO-Verfahren im Hochlast-SBR erweitert werden. Für die Voraktivierung wird der Überschussschlamm aus der Belebungsstufe in den Zulauf der Kläranlage geleitet. Hierdurch werden biologische Umsatzvorgänge bereits im mechanischen Teil der Anlage initiiert, um dieses potentielle Reaktionsvolumen für biologische Reinigungszwecke zu nutzen. Dabei herrschen im belüfteten Sandfang aerobe Bedingungen für eine Teilnitrifikation, während die anoxischen Verhältnisse im Vorklärbecken bereits eine Teildenitrifikation des rückgeführten NitratStickstoffes bewirken. 

    Die Grundidee des NH4-PO-Verfahrens beruht auf der Trennung von biologische Reaktionsbereichen in drei einzelne Reinigungsstufen und einer sekundären Verschaltung der Stufen durch Abwasserund Schlammströme. Das NH4-PO-Verfahren wird in einem SBR realisiert. Die Kombination der Verfahren hat eine sehr gute Energieeffizienz der Belüftung. Da im Rahmen der Umsetzung ebenfalls Gebläse und Belüfter getauscht werden sollen, wird eine maximale Energieeinsparung erzielt.

Mit der Planung wurde die Arbeitsgemeinschaft Enno Leonhard / IAT Ingenieurberatung für Abwassertechnik, bestehend aus dem Ingenieurbüro Enno Leonhard (Wehrheim) und der IAT Ingenieurberatung für Abwassertechnik (Darmstadt), beauftragt. Wissenschaftlich begleitet wird die Planung von Herrn Prof. Dr.-Ing. Wagner von der Technische Universität Darmstadt.